Reformbewegungen

Aus Muri
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Muri und die benediktinischen Reformbewegungen

10. bis 12. Jahrhundert

Cluniazenser Reformbewegung

Reform von St. Blasien

Die Reformbewegung der Abtei St. Blasien richtete sich im 11. und 12. Jahrhundert am piemontesischen Reformzentrum Fruttuaria nahe bei Turin aus. Diese bedeutende Abtei richtete sich in ihrer Observanz nach den Cluniazensern aus, blieb aber rechtlich eigenständig und ausserhalb des Verbandes von Cluny. Die von ihr entwickelten fruttuarischen Consuetudines wurden von St. Blasien auf Betreiben der Kaiserin Agnes übernommen. Abt Giselbert von St. Blasien entsandte die Mönche Uto und Rusten zum Kennenlernen und Einüben des Reformansatzes in die Abtei Fruttuaria. Sie wurden später hintereinander seine Nachfolger als Abt. In dieser Funktion implementierten sie die Reform von Fruttuaria und übertrug sie auf die eigenen Priorate und insgesamt neun Klöster im süddeutschen Raum. Zu ihnen zählte auch das Kloster Muri. St. Blasien verzichtete aber daruf, organisatorisch einen eigenen Verband zu bilden, so dass die Klöster trotz Reform weitgehend ihre Unabhängigkeit behielten. Die Ausstrahlungskraft von St. Blasien als benediktinisches Reformzentrum blieb deutlich hinter jener von Siegburg und Hirsau zurück.[1]

Hirsauer Reformbewegung

Die Hirsauer Reformbewegung wirkte sich im späteren 11. Jahrhundert auch auf das Kloster Muri und das Benediktinerinnenkloster Hermetschwil aus. Sie sah gegenüber von Cluny von einer Zentralisierung ab und verzichtete auf den Aufbau einer Verbandsorganisation. Sie achtete die Interessen der Stifterfamilien, die die Grablegungstätten in den Klöstern schätzten und auf das liturgische Gebetsgedenken der Mönche und Nonnen Wert legte. Sie schaffte im Gegensatz zu Cluny das Oblateninstitut ab und führte in Abweichung zu den Reformen von Gorze und Siegburg das Institut der Konversen ein.[2] Konversen waren Laienmönche, die - entsprechend ihrer Fähigkeiten und Ausbildung - in der Klosterwirtschaft und im Klosterbetrieb von hochqualifizierten Arbeiten wie Bauleiter, Betriebsverwalter usw. über Handwerkerarbeiten bis zu einfachen Handreichungen wahrnahmen. Sie ermöglichten den Chormönchen, sich den liturgischen Aufgaben zu widmen.

Dass das Kloster Muri sich der Hirsauer Reformbewegung zuwandte, geht auf die Einflussnahmen des Abtes Wilhelm von Hirsau sowie des Abtes Siegfried[3] des Benediktinerklosters Allerheiligen zu Schaffhausen um 1082 zurück. Entsprechender Einfluss ging auch vom Kloster St. Blasien aus.[4] Das Kloster Muri und das Benediktinerinnenkloster Hermetschwil führten ebenfalls Laienmönche und Laienschwestern ein. Die Laienmönche wurden als Brüder und die Laienschwestern als Schwestern bezeichnet, während Klerikermönche Patres oder Fratres und Chorschwestern Frauen genannt wurden.

14. bis 16. Jahrhundert

Reform von Kastl

Um 1390 verfasste Abt Otto Nortweiner von der Abtei Kastl auf dem Hintergrund böhmischer Anstösse die "Consuetudines Castellenses" und das "Liber ordinarius". Die Reform strebt eine Rückbesinnung auf die ursprüngliche Intention der Benediktusregel. Gleichzeitig wagte sie eine spürbare Kürzung der Liturgie und betonte erstmalig für den Benediktinerorden die Bedeutung der akademischen Ausbildung und der Pflege der Wissenschaften. Die Rangordnung innerhalb der Klosters wurde aufgrund der Ausbildung differenziert angepasst. Ferner hatten Mönche, die Studien betrieben, Anspruch auf ein eigenes Studierzimmer. Regeltreue und Eigenverantwortung bekamen für den einzelnen Mönch einen hohen Stellenwert. Anlässlich der Konzile in Konstanz und Basel wurden die Konstitutionen überarbeitet und den Zeiterfordernissen angepasst. Die Kastler Reform breitete sich nicht durch eine straffe Organisation aus, sondern durch die freiwillige Übernahme der Reformgrundsätze. Zu den Klöstern, die sich direkt ansprechen liessen, gehörte 1439 auch die Abtei St. Gallen. Sie entfaltete aber vielerorts auch indirekte Wirkung, so beispielsweise auf die Äbtekonferenz in Petershausen im Jahre 1417.

Reform von Melk

Bursfelder Reform

Die Bursfelder Reform geht auf das Konzil von Konstanz (1414-1418) zurück. Aufgrund der Verfallserscheinungen in vielen benediktinischen Klöstern verwiesen die Konzilsväter von Konstanz die Benediktiner auf die Auflagen des IV. Laterankonzils von 1215. In seinem Dekret "In singulis regnis sive provinciis" hatte Papst Innozenz III. die Benediktiner verpflichtend angehalten, sollten die Benediktineräbte jeder Kirchenprovinz in Analogie zu den Zisterziensern eine gemeinsame Versammlung abhalten, über die Reformbedürfnisse des Ordens beraten und gegebenfalls entsprechende Beschlüsse fassen. Die Umsetzung dieser für alle Benediktinerklöster geltenden Beschlüsse sowie der Beachtung der Observanz sollte durch Visitatoren überwacht werden. Papst Gregor IX. reduzierte die Kapitelsintervalle sogar auf ein Jahr. 1336 kehrte Zisterzienserpapst Benedikt XII. mit seiner Bulle "Summi magristri", genannt "Benedictana", wieder zum dreijährigen Rhythmus zurück und teilte den Benediktinerorden in 36 Provinzen aus. Das Kloster Muri gehörte zum Provinzkapitel Mainz-Bamberg.

Bibliographie

  • Dell'Omo, Mariano, Geschichte des abendländlischen Mönchtums vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Das Charisma des hl. Benedikt zwischen dem 6. und 20. Jahrhundert, St. Ottilien 2017.
  • Henggeler, Rudolf, Professbuch der Benediktinerabtei Allerheiligen zu Schaffhausen, Separatdruck aus Heft 18, 1941, der Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Thayngen 1941.
  • Hofmeister, Philipp. Die Verfassung der Bursfelder Kongregation, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, 53 (1935), 37-76.
  • Martin Kiem: Geschichte der Benedictiner Abtei Muri-Gries. Erster Band. C. von Matt, Stans 1888.
  • Klueting, Edeltraud, Monasteria semper reformanda. Kloster- und Ordensreformen im Mittelalter, Historia profana et ecclesiastica. Geschichte und Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Moderne Band 12, Münster 2005.
  • Thoma, Franz Xaver, Petrus von Rosenheim OSB. Ein Beitrag zur Melker Reformbewegung, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Neue Folge Band 14, der ganzen Reihe Band 45 (1927), 94-222.
  • Tomek, Ernst, Die Reform der deutschen Klöster vom 10.-12. Jahrhundert, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Neue Folge Band 1, der ganzen Reihe Band 32 (1911), 65-84.
  • Volk, Paulus, Fünfhundert Jahre Bursfelder Kongregation. Eine Jubiläumsgabe, Regensberg-Münster 1950.
  • Zibermayr, J., Die Reform von Melk, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Neue Folge Band 8, der ganzen Reihe Band 39 (1918), 171-174.

Einzelnachweise

  1. Klueting, Edeltraud, Monasteria semper reformanda. Kloster- und Ordensreformen im Mittelalter, Historia profana et ecclesiastica. Geschichte und Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Moderne Band 12, Münster 2005, 23-24.
  2. Klueting, Edeltraud, Monasteria semper reformanda. Kloster- und Ordensreformen im Mittelalter, Historia profana et ecclesiastica. Geschichte und Kirchengeschichte zwischen Mittelalter und Moderne Band 12, Münster 2005, 24-25.
  3. Henggeler, Rudolf, Professbuch der Benediktinerabtei Allerheiligen zu Schaffhausen, Separatdruck aus Heft 18, 1941, der Schaffhauser Beiträge zur vaterländischen Geschichte, Thayngen 1941, 42-46.
  4. Tomek, Ernst, Die Reform der deutschen Klöster vom 10.-12. Jahrhundert, in: Studien und Mitteilungen zur Geschichte des Benediktiner-Ordens und seiner Zweige, Neue Folge Band 1, der ganzen Reihe Band 32 (1911), 75-76.